Leben im SLW: Teilbetreutes Wohnen für junge Frauen in St. Josef Traunstein

Traunstein. Teenager-Mädchen, die mit einem schweren Rucksack voller häuslicher Probleme zu kämpfen haben, finden in der Jugendhilfe-Einrichtung St. Josef in Traunstein eine verlässliche Herberge. Im Teilbetreuten Wohnen für junge Frauen ab 16 Jahren bekommen sie eine starke Basis für ihre Zukunft.

Hausleiter Karl-Heinz Oberhuber im Gespräch am Küchentisch mit einer jungen Frau.

Solides Fundament zum Erwachsenwerden

Eine der vier jungen Frauen, die in der Teilbetreuten Wohngruppe im 4. Stock der Einrichtung St. Josef leben, ist die 18-jährige Emma. Auf das, was ihr seit ihrem 13. Lebensjahr familiär aufgebürdet wurde, geht sie im Gespräch nicht weiter ein. Eines ist klar, ihr Rucksack voller vielfältiger, negativer Erlebnisse lastet schwer. „Mein Leben bis hierhin war richtig besch…“, findet die schlanke Frau deutliche Worte. Wie sie wurden auch die drei anderen Mitbewohnerinnen vom Jugendamt aus ihren Familien herausgenommen – teils auf eigenen Wunsch. Hinter jedem der jungen Gesichter steht eine eigene Geschichte, die jeweils von individuellen Konflikten und schwierigen Lebensumständen geprägt ist. Manche Mädchen mussten aufgrund von familiären Zerwürfnissen gehen, andere wurden Opfer von Trennungen oder erlebten Missbrauch. Für die meisten bedeutet das Leben im Teilbetreuten Wohnen zum ersten Mal Stabilität.

Negative Erfahrungen mit Erwachsenen

Viele der Mädchen haben bisher wenig positive Erfahrungen mit Erwachsenen sammeln dürfen. In der Wohngruppe erleben sie, dass sie ernst genommen werden und auf Erwachsene vertrauen können. Emma bringt es treffend auf den Punkt: „Wie fühlt man sich, wenn man das erste Mal merkt, dass da zwei Erwachsene sind, auf die du dich wirklich verlassen kannst?“ Einer dieser Erwachsenen ist Karl-Heinz Oberhuber. Er ist Hausleiter der Jugendhilfe-Einrichtung St. Josef, die zahlreiche weitere unterstützende Angebote für Kinder und Jugendliche in Traunstein und Umgebung bereitstellt. Und er ist seit über 30 Jahren in der praktischen Sozialarbeit tätig. Trotz seiner Leitungsposition hat der „alte Hase“ den direkten Kontakt zu den Mädchen behalten. Er bringt immer noch Arbeitsstunden in der Wohngruppe ein. Dazu gehört, dass er zum Beispiel außerhalb der Arbeitszeiten noch wach liegt, bis seine „Schäfchen“ nach einer Party sicher in der Wohngruppe angekommen sind und – wie vorab abgesprochen – eine entsprechende Nachricht gesendet haben: „Man übernimmt in diesem Job eine Verantwortung, die nicht nach Dienstschluss aufhört“, ist er überzeugt.

Rückhalt statt Schuldzuweisungen

Emma betont, dass die Mädchen von den Erwachsenen im Teilbetreuten Wohnen nicht wie im bisherigen Leben mit Schuldzuweisungen konfrontiert werden. Stattdessen bekommen sie Rückhalt. Sie haben hier keine Angst mehr vor Ablehnung: „Ich finde es sehr gut, dass hier die Probleme oder die Schuld nicht auf die Jugendlichen abgeschoben werden, wie wir es zuvor erleben mussten. Man kann sich immer an das Team wenden, und das wird einen nicht verurteilen. Man kann offen sagen: Ich habe ein Problem. Können wir das bitte zusammen lösen?“ Für Emma, die auch schon andere Wohngruppen erlebt hat, macht das den entscheidenden Unterschied: „Hier herrscht kein dienstlicher, sondern ein menschlicher Umgang. Es ist heimeliger. Wir wissen, dass jemand hinter uns steht, wenn wir Hilfe brauchen. Hier bekommt man den festen Boden, auf dem man sicher stehen kann, um weiter zu laufen.“ Die Betreuerinnen und Betreuer stehen den jungen Frauen zur Seite. Dabei geht es um Bewerbungen, Berufswahl, Arzttermine, schulische Nachhilfe und die Unterstützung bei persönlichen Problemen. Auch beim Umgang mit Gefühlen helfen sie, immer individuell angepasst. „Manchmal ist es auch nur das Zuhören. Aber genau das ist es, was vielen in ihrem bisherigen Leben gefehlt hat“, beschreibt Karl-Heinz Oberhuber eine der Aufgaben seines Teams.

Chance auf eine bessere Zukunft

Seine Ziele in der speziellen Wohngruppe beschreibt der versierte Erzieher so: „Anders als in anderen Wohnformen steht bei uns nicht die Rückführung in die Herkunftsfamilie im Vordergrund. Meist gibt es ohnehin kaum Kontakt zu den Eltern. Stattdessen wird den Mädchen ein sicherer Ort geboten, an dem sie zur Ruhe kommen, sich auf ihre eigene Zukunft konzentrieren und wieder Vertrauen gewinnen können. Unser Ziel ist, dass sie gestärkt und eigenständig rausgehen. Wir wollen, dass die Mädchen zukünftig ihr Leben selbst in die Hand nehmen können.“ Die tägliche Arbeit in der Einrichtung ist anspruchsvoll. Konflikte innerhalb der Gruppe, die Belastungen und Probleme der Einzelnen, Kostendruck und Bürokratie, der allgemeine Fachkräftemangel und die zum Teil schwieriger werdenden Fälle stellen das Team immer wieder vor Herausforderungen. Dennoch bleibt das große Ziel, jedem Mädchen eine Chance auf eine bessere Zukunft und einen gestärkten Lebensweg zu geben.

Konflikte lösen, Verantwortung übernehmen

In der Wohngruppe gibt es klare Gruppenregeln und Richtlinien, die den Alltag strukturieren. Auch wenn bestimmte Grenzen notwendig sind – wie feste Heimkehrzeiten oder die Erledigung gemeinsamer Aufgaben – das Team legt Wert darauf, flexibel zu bleiben. Die sozialpädagogischen Fachkräfte wissen, dass feste Vorschriften nicht immer zum Erfolg führen. Stattdessen setzen sie auf Dialog und Vertrauen: „Einmal im Monat gibt es die ‚Zeit für uns‘, in der alle zusammen besprechen, was gut läuft oder nicht funktioniert. Ob es um das hundertste Mal geht, dass jemand den Tisch nicht abwischt, oder darum, dass Absprachen nicht eingehalten wurden – hier kann alles offen gesagt werden.“ Laut Oberhuber werden in diesen Besprechungen Probleme und Konflikte innerhalb der Gruppe thematisiert und gemeinsam Lösungen gesucht. Ziel ist, die alltägliche Organisation zu klären. Außerdem sollen die Mädchen lernen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und Konflikte konstruktiv zu lösen.

Tür steht immer offen

Für Emma ist die Wohngruppe genau der richtige Weg in die Zukunft. Derzeit besucht sie die Fachoberschule und ist noch dabei, herauszufinden, welche berufliche Richtung sie später einschlagen möchte. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Auch nachdem die jungen Frauen ihre Ausbildung beendet und die Einrichtung verlassen haben, bleibt der Kontakt zum Team oft bestehen – manche melden sich selbst Jahre später wieder. Es gibt Besuche oder E-Mails, in denen sie erzählen, wie es ihnen ergeht. Für Emma ist das ein gutes Gefühl: „Es ist einfach schön, zu wissen, dass die Tür immer offenbleibt.“ Fast wie in einer Familie.    Andrea Obele

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