"Ich kann ja doch was!"

Leben im SLW: Liebfrauenhaus Herzogenaurach: Schulbauernhof ist nicht mehr wegzudenken

Herzogenaurach. Von Scheu keine Spur: Cookie ist heute besonders gut drauf. Quietschvergnügt sucht das Huhn die Gesellschaft der Kinder in Gummistiefeln und Regenjacken – und scheint es zu genießen, heute Vormittag im Mittelpunkt zu stehen. In mehreren Gruppen hat sich die Ganztagsklasse der fünften Jahrgangsstufe auf dem Grundstück des Schulbauernhofs des Liebfrauenhauses Herzogenaurach verteilt; zuvor waren im Bauwagen beim gemeinsamen Frühstück die einzelnen Aufgaben besprochen worden:

Die Tiere müssen gefüttert, der Misthaufen abgetragen, die Grasnarbe am künftigen Gemüsebeet weiter abgetragen werden. Niemand drückt sich, jede(r) kann sich hier für irgendetwas begeistern; motiviert, ausgelassen und voller Energie laufen die Kinder auseinander, holen die Arbeitsgeräte aus dem Schuppen, außerdem Futter, Stroh und frisches Wasser für die Tiere. Cookie hält heute die Misthaufen-Gruppe auf Trab: Mit Schaufeln und Mistgabeln rücken die Jungs und Mädels den Hinterlassenschaften der Hühner und Kaninchen zu Leibe – das zutrauliche Huhn, das sich sogar streicheln lässt, mittendrin; Berührungsängste Fehlanzeige.

Derweil vorne am Grundstück: Wo der Gemüsegarten entstehen soll, gibt es noch viel zu tun. Umweltpädagogin Stephanie Heim drückt den Kindern Spaten in die Hand und zeigt, wie tief sie die oberste Erdschicht abtragen sollen. Schnell sind die ersten Schubkarren beladen und so schwer, dass niemand sie bewegen kann. Nach einem nasskühlen Vormittag traut sich zur Freude aller die Sonne hervor; die ersten Jacken landen übermütig über dem Zaun. Lauthals überlegen die Kinder, was hier mal wachsen soll und womit sie später die Hochbeete bestücken wollen. Um den Bauwagen schleicht Katze Luna; über die Katzenklappe kommt sie an ihren Napf. Sie liebt es, wenn die Schülerinnen und Schüler sie auf den Arm nehmen; von Streicheleinheiten kann sie gar nicht genug bekommen.

Schulbauernhof als Erfahrung der Sinne

Einmal musste der Schulbauernhof bereits umziehen, war gekündigt worden. „Niemand wusste, ob die Katzen, die Freiläufer sind, das mitmachen und das neue Zuhause akzeptieren würden“, sagt Anna Maria Specht, die an der Liebfrauenschule für den Ganztag verantwortlich ist. Gemeinsam mit Schulleiter Michael Richter ist sie federführend für den Bauernhof zuständig und steht voll und ganz hinter all dem, was es an positiven Aspekten mit sich bringt: „Wir haben es viel mit eher leistungsschwachen Mittelschülerinnen und -schülern zu tun, die meist nur von wenigen Erfolgserlebnissen berichten können“, erklärt Specht. „Sie haben oft ein negatives Selbstbild nach dem Motto: Ich kann ja doch nichts. Dann kommen sie hierher auf den Bauernhof und merken: Hey, ich kann ja doch was! So spüren sie sich selbst viel intensiver.“ Über dieses „Erfahrungsfeld der Sinne“ sowie über Verantwortung für Tiere und Pflanzen und den Einsatz für die Gemeinschaft verschiebe sich die Wahrnehmung zum Positiven: „Die Veränderungen, die die anderen Rollen hier auf dem Hof mit sich bringen, sind unglaublich“, schwärmt Anna Maria Specht. „Manche der Kinder und Jugendlichen geben sich im Unterricht viel ausgeglichener und ruhiger.“ Das Ergebnis von viel Beziehungsarbeit sei deutlich spürbar und ein großer Mehrwert. Trotz der anfänglichen Skepsis mancher Eltern, die sich Sorgen gemacht hätten, ob die Kinder denn auch ja genug lernten oder der Schulstoff unter so viel Ablenkung leide. „Für ein solches Projekt braucht man viel Mut, Durchhaltevermögen und einen langen Atem“, räumt Specht ein, der es wichtig ist, Schule immer wieder neu zu denken und Ungewöhnliches auszuprobieren.

Auf dem Schulbauernhof entwickeln die Kinder zum Beispiel das Gespür: Je lauter ich bin, desto weniger wollen die Tiere von mir wissen. Also muss ich mein Verhalten entsprechend anpassen.“ Von psychischen Auffälligkeiten wie ADHS oder Teilleistungsstörungen merke man auf dem Schulbauernhof wenig, findet die Klassleitung. „Die Kinder organisieren sich hier draußen überwiegend selbst und sind wahnsinnig motiviert – da fühle ich mich als Lehrkraft teilweise geradezu überflüssig“, scherzt Klassenlehrer Michael Neumayr. Schule definiere sich nicht nur über Schreib- und Lesekompetenzen, sondern auch ganz viel über persönliche Entwicklung sowie Sozial- und Alltagskompetenz. „Die Kinder haben hier einen Rahmen, um sich ausprobieren – und zwar in einem anderen Kontext als Schule, wo Leistung zählt und oftmals der Fokus auf dem liegt, was Kinder nicht gut können“, ergänzt Anna Maria Specht. „Viel zu oft werden Menschen auf ihre Defizite reduziert. Das tut auf Dauer nicht gut und schadet der Entwicklung.“

Auf dem Schulbauernhof können die Schülerinnen und Schüler hingegen die konkrete Erfahrung machen: „Was ich mache, macht Sinn“, wie Anna Maria Specht es auf den Punkt bringt. Als außerschulischer Lernort ziele das ganzjährige Projekt, das bei Wind und Wetter stattfindet, auf Begeisterungsfähigkeit und Neugierde ab, um so – ergänzend zum gewohnten Schulalltag – Themen wie Klimaschutz, Nachhaltigkeit und verantwortliches Handeln konkret greifbar zu machen und eine Basis zu schaffen für Herausforderungen, mit denen insbesondere die Kinder und Jugendlichen von heute konfrontiert sind.   Ulrike Schwerdtfeger

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